Kommentierte Studie:
ASTHMAKONTROLLE IN EUROPA AUF DEM PRÜFSTAND
Die Asthmakontrolle in Europa ist weiter schlecht. Das ergab eine aktuelle Online-Umfrage bei 8000 Asthma-Patienten. Viele halten ihr Asthma für gut kontrolliert, obwohl sie Symptome haben. Nach wie vor kommt es offenbar auf Information durch die Ärzteschaft an.
Dr. Justus de Zeeuw, Köln:
„Tatsächlich ist die Non-Adhärenz
die größte Hürde bei der Dauer-
therapie des Asthmas.“
Fragestellungen
Wie gut ist die Asthmakontrolle bei Patienten in Europa? Stimmen Wahrnehmung und Wirklichkeit überein?
Hintergrund
Asthma bronchiale ist eine der häufigsten Erkrankungen der Welt. Heute gibt es wirksame Präparate zur Behandlung, mit denen das Erreichen einer guten Asthmakontrolle in vielen Studien belegt ist. Dennoch zeigten Befragungen in der Vergangenheit, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Asthma-Therapie eine erhebliche Lücke klafft. Im Internet stehen inzwischen gute Informationen zu Ursache und Therapie des Asthmas zur Verfügung. Patienten können diese Ressourcen nutzen. Hat sich die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Asthmakontrolle dadurch verringert oder sogar geschlossen?
Patienten und Methoden
In 11 europäischen Ländern wurden insgesamt 8000 Asthma-Patienten (davon 1000 aus Deutschland) im Alter von 18 bis 50 Jahre mittels einer Online-Umfrage befragt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Befragung waren mindestens zwei Verschreibungen asthmaspezifischer Medikamente in den letzten zwei Jahren sowie die Nutzung Sozialer Medien. Erfragt wurden Symptome, Exazerbationen und Indikatoren für gute Asthma-Kontrolle.
Ergebnisse
Der Grad der Asthmakontrolle war gering: 45% der Befragten litten an unkontrolliertem Asthma. Akute Exazerbationen waren häufig: 44% gaben an, in den letzten 12 Monaten orale Steroide benötigt zu haben. 24% mussten ärztliche Notfallhilfe in Anspruch nehmen und 12% wurden stationär behandelt.
Über 80% der Befragten (sowohl im Gesamtkollektiv als auch unter denen mit stattgehabter Exazerbationen) schätzten ihr Asthma als gut kontrolliert ein.
Schlussfolgerungen
Die Asthmakontrolle in Europa ist weiterhin schlecht. Symptome und Exazerbationen sind häufig. Viele Patienten halten ihr Asthma für gut kontrolliert und nicht schwerwiegend, obwohl sie Symptome und Exazerbationen erleiden.
Kommentar von Dr. Justus de Zeeuw, Köln
„Es liegt weiterhin in der Hand der Ärzte"
Studien wie REALISE geben uns eine wichtige Rückmeldung über das, was außerhalb von Studien wirklich passiert. Gelingt es, die mit immensem Aufwand entwickelten Leitlinien in der Versorgungsrealität zu implementieren? Welche Einstellung haben Betroffene zur Therapie und vor allem zu den Therapiezielen bei Asthma?
Zuletzt war im Jahr 2000 eine große europaweite Befragung zur Asthmakontrolle publiziert worden [1]. Damals gelangten die Autoren zu dem Schluss, dass 80% der Befragten ihre Asthmakontrolle als gut empfanden, dies allerdings nur bei 20% tatsächlich der Fall war. Ausgehend von diesem Ergebnis wurden zahlreiche Aktivitäten entfaltet, um das Wissen rund um die Therapie des Asthmas sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten zu verbessern. Umso erstaunlicher ist, dass nun 15 Jahre später ein fast identisches Ergebnis vorliegt – und das bei einem Kollektiv, das explizit soziale Medien nutzt, also internetaffin ist und auf eine Fülle von Informationen zurückgreifen kann.
REALISE zeigt, dass die Adhärenz trotz erheblicher Symptomlast gering ist: Weniger als 50% der Befragten, denen ein inhalatives Steroid verordnet wurde, nehmen dieses regelmäßig ein. Als häufigster Grund für geringe Adhärenz wird angegeben, dass die Medikation als unnötig angesehen wird. Tatsächlich ist die Non-Adhärenz die größte Hürde bei der Dauertherapie des Asthmas. Um das bedrohliche Symptom Luftnot zu vermeiden, wählen viele Patienten eine ungeeignete Strategie: Sie vermeiden auslösende Situationen wie beispielsweise Sport, anstatt durch konsequente Entzündungskontrolle eine bessere Lebensqualität zu erzielen.
Fazit
Die REALISE-Studie macht drei Dinge klar:
1. Die Implementierung von Leitlinien in den Praxisalltag scheitert offensichtlich am „wahren Leben“.
2. Geringe Adhärenz ist nach wie vor eine Herausforderung, die trotz Symptomatik und einer Fülle verfügbarer Therapieoptionen bestehen bleibt.
3. Das Internet kann nicht alle Probleme lösen. Qualitativ hochwertige Informationen konkurrieren mit Unsinn und es hängt vom Nutzer ab, auf welche mehr oder weniger hilfreichen Quellen er zurückgreift. Nach wie vor liegt es in der Hand der Ärzte, zu informieren, zu therapieren und zu kontrollieren.
Literatur
[1] Rabe KF, Vermeire PA, Soriano JB, Maier WC. Clinical management of asthma in 1999: the Asthma Insights and Reality in Europe (AIRE) study. Eur Respir J 2000; 16: 802–807
Autor: Dr. med. Justus de Zeeuw, Haan Quelle: springermedizin.de Basierend auf: Price D, Fletcher M und van der Molen T. Asthma control and management in 8000 European patients: the REcognise Asthma and LInk to Symptoms and Experience (REALISE) survey. npj Primary Care Respiratory Medicine (2014) 24, Article number: 14009; doi:10.1038/npjpcrm.2014.9